- Wirtschaftsnobelpreis 1970: Paul Anthony Samuelson
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Der Amerikaner erhielt den Nobelpreis für seine besonderen Leistungen auf dem Gebiet der statischen und dynamischen ökonomischen Theorie.Paul Anthony Samuelson, * 15. 5. 1915 Gary (Indiana), 1932-35 Studium der Wirtschaftswissenschaften an der University of Chicago, 1936 Master of Arts und 1941 Promotion zum Doktor der Philosophie an der Harvard-Universität, 1947 Verleihung der John-Bates-Clark-Medaille, 1996 National Medal of Science; Wirtschaftsberater der US-Präsidenten Truman und Kennedy.Würdigung der preisgekrönten LeistungPaul Anthony Samuelson wurde als erster Amerikaner 1970 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Die Schwedische Akademie der Wissenschaften ehrte den »letzten Generalisten«, wie er sich selbst einmal bezeichnete, für seine basistheoretische Forschung und seine Bemühungen um das analytische und methodische Niveau in den Wirtschaftswissenschaften. Trotz des hohen Abstraktionsgrads vieler seiner Arbeiten, beschäftigte sich Samuelson immer auch mit aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Dabei erstreckten sich seine Forschungsgebiete von der Konsum- (Theorie über die Offenbarung von Präferenzen), Wachstums-, Kapital- und Wohlfahrtstheorie über die Konjunkturtheorie (Multiplikator-Akzelerator-Modell) bis hin zur Außenhandelstheorie.Samuelsons wichtigste ForschungsgebieteIn der dynamischen Theorie und der Stabilitätsanalyse beschränkt sich Samuelson im Gegensatz zur rein statischen Betrachtung nicht auf die Analyse des Gleichgewichts, sondern untersucht, wie sich ein Wirtschaftssystem außerhalb seines Gleichgewichtzustandes verhält und sich im Zeitablauf in einzelnen Phasen entwickelt. Samuelson nennt dabei die Bedingungen, unter denen ein ökonomisches System sich stabil verhält, das heißt nach Störungen wieder von selbst zum Gleichgewicht zurückkehrt. Er fand heraus, dass diese Bedingungen mit denjenigen übereinstimmen, unter denen auch die statische Analyse gewöhnlich zu »normalen« Reaktionen führt. So hat etwa die Erhöhung der Nachfrage einen Anstieg des Gleichgewichtspreises zur Folge. Diese Verknüpfung von statischer und dynamischer Analyse wird als Korrespondenzprinzip bezeichnet, bei der nicht nur die Abhängigkeit wirtschaftlicher Größen untereinander, sondern auch von Werten früherer Perioden im Modell berücksichtigt werden.Zu einem weiteren Forschungsfeld von Samuelson zählt die Konsumtheorie. In der älteren Theorie ging man davon aus, dass Haushalte ihre wohl definierten Präferenzstrukturen offen legen, indem sie eine Bewertung alternativer Warenkörbe vornehmen. Da die Bewertung allein nicht zu beobachten ist, beschränkte sich die Analyse des Konsumentenverhaltens auf die Effekte einer Veränderung in den Einkommen und Preisen. Samuelson hingegen betrachtet das Verhalten der Konsumenten und kommt zu dem Ergebnis, dass Haushalte ihre Präferenzen durch ihr eigenes Verhalten offenbaren.Des weiteren machte sich Samuelson durch Beiträge zur allgemeinen Gleichgewichtstheorie verdient, indem er die Interaktionsbeziehungen zwischen den zahlreichen Preisen und Mengen in einer Ökonomie untersuchte. Ein Beispiel hierfür ist die Außenhandelstheorie und die Frage nach den wirtschaftlichen Vorteilen, die aus dem internationalen Handel resultieren. Es ist unbestritten, dass unter gewissen Bedingungen der Handel mit dem Ausland zu höherem Einkommen im Inland führt. Gleichzeitig findet aber auch eine Einkommensumverteilung statt, welche Arbeitnehmer der Industriesektoren mit dem relativ knappen Faktor benachteiligt. Samuelson zeigte, dass sich die Gewinner aus einem internationalen Handel auch dann noch besser stellen, wenn sie die Verlierer vollständig durch Transferzahlungen kompensieren. In einer solchen Situation ist der Freihandel dem Protektionismus vorzuziehen. Darüber hinaus besagt das Stolper-Samuelson-Theorem, dass es durch Zölle auf Importgüter zu einer Verschiebung der Faktorpreise zugunsten des knappen Faktors der geschützten Industrie kommt. Daneben zeigte Samuelson mit dem »Faktorpreisausgleichstheorem«, unter welchen Bedingungen internationaler Handel zum Ausgleich der Faktorpreise zwischen den handelstreibenden Ländern führt.Zusammen mit Robert Solow entwickelte Samuelson eine Kapitaltheorie, welche ohne die traditionelle Annahme eines aggregierten Kapitalstocks — also dem in Geldeinheiten ausgedrückten Wert aller Kapitalgüter einer Gesellschaft — auskommt, um Kapitalpreise zu bestimmen. Ein weiterer Beitrag innerhalb der Kapitaltheorie befasste sich mit den Voraussetzungen der ökonomischen Effizienz im Zeitablauf. In seinem Turnpike-Modell untersucht Samuelson, welchen Wachstumspfad eine Wirtschaft einschlagen sollte, wenn sie eine optimale Struktur im Endzustand anstrebt. Samuelson zeigt dabei, dass es sich für ein Land unter gewissen Umständen durchaus lohnen kann, den Pfad allmählicher Anpassung zu verlassen und auf einen Wachstumspfad zu wechseln, der sich durch hohe Wachstumsraten auszeichnet unddessen Verhältnisse zwischen den Produktionssektoren sich stark von der Anfangsstruktur beziehungsweise der angestrebten Endstruktur unterscheiden. Erst nach der Benutzung einer solchen »Schnellstraße« (Turnpike) erfolgt dann eine Richtungsänderung hin zu optimalen Strukturen.Samuelson und die PolitikSamuelson wechselte 1940 als Assistenzprofessor von der Harvard University zum Massachusetts Institute of Technology (MIT). 1947 wurde er dort zum Professor für Volkswirtschaft berufen. Nicht zuletzt in Samuelsons überragendem wissenschaftlichen Renommee ist internationale Aufstieg des MIT zum führenden volkswirtschaftlichen Forschungsinstitut begründet.Seit 1949 arbeitete er als Berater der Rand Corporation, einer nicht kommerziellen Institution zur Lösung wichtiger politischer Fragen. Seine Tätigkeit als Berater des Finanzministeriums unter den US-Präsidenten Truman und Kennedy brachte ihm nationale Anerkennung ein. In den 1960er-Jahren riet Samuelson zusammen mit Robert Solow (Nobelpreis 1987) der Regierung, mit zusätzlichen Ausgaben der Nation den Weg zum Wohlstand zu bahnen. Die Regierung setzte das Vorhaben zunächst erfolgreich um — und die amerikanische Wirtschaft reagierte mit dem wohl größten Wachstum ihrer Geschichte. Doch ein Anstieg der Staatsausgaben führte zu einer Preis-Lohn-Spirale. Anfang der 1970er-Jahre zog dann die Erhöhung der Geldmenge und die damit verbundene Erhöhung des Preisniveaus eine drastische Geldentwertung nach sich, die letztendlich zum Zusammenbruch des Festkurssystems von Bretton-Woods führte.R. Füss, G.Vorsatz
Universal-Lexikon. 2012.